„Die beste Kamera ist die, die du immer dabei hast“. Nicht deine superteure Spiegelreflexkamera, sondern die, die du tagtäglich mit dir herumträgst. Mit der du zu Mittag dein Essen fotografierst, das Selfie am morgen vor dem Spiegel machst, die spaßigen Momente während der Party aufnimmst, die Erinnerungen im Urlaub festhältst und deine kleinen und großen Abenteuer im täglichen Leben verewigst. Die beste Kamera ist das Smartphone. Doch auch das beste Smartphone hat irgendwann keinen Speicherplatz mehr und die wenigsten Smartphones im Highend-Bereich lassen sich heutzutage noch mit Speicherkarten erweitern. Was also machen? Geht es nach Apple, Dropbox, Microsoft und neuerdings auch Google, sollen die Fotos am besten alle in die Cloud. Problem gelöst, aber ist es das wirklich?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn wer will schon für Speicherplatz zahlen? Sowohl Apple, Dropbox als auch Microsoft verlangen für ihre Services nämlich Geld. Ein paar Dienste verlangen mehr, ein paar nur wenige Euros. Die große Ausnahme ist Google Photos: Unlimitierter Foto-Upload. Ohne Beschränkungen. Und das kostenlos. Nie mehr Speicherplatz-Sorgen und keine Angst, dass die wichtigen Bilder jemals verloren gehen.

Der Dienst erntete viel Begeisterung. Aber war es wirklich nur Begeisterung? Nein.

Weil: TINSTAAFL

Oder länger: „There is no such thing as a free lunch“. Sobald etwas mit einigermaßen großem Wert als komplett gratis und kostenlos angepriesen wird, ist dies meistens nur scheinbar der Fall. Es ist das erste Warnzeichen, dass man zumindest vorsichtig sein und nicht sofort auf anmelden klicken sollte. Es ist ein Zeichen dafür, dass irgendetwas mit dem Angebot faul ist man zuerst überlegen sollte, was das Gegenüber eigentlich davon hat. Denn aus reiner Nächstenliebe und Spaß an der Sache rührt ein Unternehmen keinen Finger. Auch wenn sie versuchen uns das Gegenteil immer wieder einzureden.

Was ist also das Problem mit Google Photos? Immerhin sind die Fotos ja nicht öffentlich oder sonst etwas. Immerhin hat nur der Besitzer Zugriff darauf und alles ist privat? Das stimmt natürlich. Aber Google ist ein Unternehmen, dass seine Brötchen primär mit Werbung verdient. Und mit primär meine ich auch wirklich primär. Werfen wir einen Blick in den jährlichen Finanzreport: Von den 66 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr 2014 kamen 59 Milliarden von Werbeeinnahmen. 89,5 % von Googles Umsatz wird damit von Werbegeldern abgedeckt. Die restlichen 10,5 % der Einnahmen werden schlicht als „other revenues“ gekennzeichnet. Diese zwei Zahlen machen den Stellenwert von Werbung in Googles Unternehmenskultur deutlich. Es geht darum, Werbung möglichst effizient auf den Nutzer zuzuschneidern. Ja, der Photos Dienst kostet kein Geld. Jedoch ist er nicht kostenlos. Die Bezahlung bist du. Oder besser gesagt deine Daten, die sich dann in personalisierte, zielgerichtete Werbung verwandeln lassen.

Nicht ganz zufällig sind Fotos generell eine außerordentlich attraktive Datenquelle. Während Nutzer überall die Location-Services abdrehen und jeder sich bewusst ist, dass Bewegungsdaten nicht an jeden beliebigen Service übertragen werden sollen, so werden die eigenen Fotos standardmäßig mit der genauen Position getaggt. Während man sich bewusst ist, dass man nicht jedes privates Detail auf sozialen Netzwerken teilt, macht man von jedem noch so privaten Moment schnell ein Foto. Je privater der Moment, desto wichtiger sind Fotos davon. Weil sie einem etwas bedeuten. Weil sie emotionalen Wert haben.

Genau diese Daten sind wertvoller als jeder aktiv geteilte Status, wenn sie als schöne Fotos verpackt direkt nach der Aufnahme automatisch in die Cloud hochgeladen werden. Denn sie sind passiv und decken das gesamte Leben ab. Als netten Nebeneffekt haben Fotos auch den „Vorteil“, dass sie nicht nur Daten über den Fotografen selbst enthalten, sondern auch Rückschlüsse über andere Personen, Freunde, Verwandte, Arbeitskollegen zulassen. Es geht also nicht nur um die eigene, sondern auch um die Privatsphäre von den Menschen, die dir am Nächsten sind, und alles Drumherum. Zusammenfassend: Essen, Urlaub, Leben, Familie, Liebe, Schmerz, Trauer, Freude, Sport. Überall und von jedem Moment macht man Fotos. Immerhin hat man die beste Kamera ja immer bei sich. Und wenn man, wie Google jahrelang an künstlicher Intelligenz zur Foto-Erkennung und Kategorisierung arbeitet, lässt sich dieses Bildmaterial auch wunderbar verwerten: Mit wem warst du gestern unterwegs? An welchen Projekten arbeitest du gerade mit deinen Arbeitskollegen? Was hast du heute schon alles gegessen? Wo warst du letzten Sonntag Eis essen? Wer sind deine Freunde, mit denen du letzte Woche auf der Donauinsel schwimmen warst? Wen hast du im Urlaub letztes Jahr vor dem Eiffelturm geküsst? Oh und deine zwei besten Freunde haben letzten Samstag geheiratet? Gut zu wissen.

Man kann Google diesbezüglich nicht einmal etwas vorwerfen. Die intelligenten Features, zum Beispiel die Bilderkennung und automatische Bearbeitung werden direkt vor den Augen aller Nutzern als Vorteil angepriesen. Wie gut das funktioniert kann man auch selbst ausprobieren. Die Frage ist, ob sie dabei die ganze Story erzählen oder wie so oft nur ein paar gute Vorteile für die Nutzer herauspicken. Dreimal dürft ihr raten.

Aber, aber, aber …

„Microsoft macht mit OneDrive das gleiche“, möchte man nun behaupten. Auch sie haben eine der besten (wenn nicht sogar die beste) Forschungsgruppen für Bilderkennung und wissen ebenfalls ganz genau, was auf den Fotos gezeigt wird. Aber Microsoft ist, genauso wie Apple, nicht abhängig von Werbeeinnahmen. Mir persönlich fällt es schwer, einem Unternehmen meine so privaten und sensiblen Daten zu vertrauen, dass sein Geld hauptsächlich damit verdient, Nutzerdaten möglichst gewinnbringend und effizient in Werbeumsatz zu verwandeln.

Sowohl Microsoft als auch Apple haben keine große Motivation, möglichst genaue und detaillierte Nutzerprofile zu erstellen. Eher im Gegenteil. Privatsphäre wird dort Feature. Und zwar nicht nur ein scheinheiliges Feature. Für Apple sind Privacy und anonymisierte Nutzerdaten zu einem Hauptthema geworden. In iOS 9, wo Siri wie Google Now auch Verhaltensanalysen und Vorhersagen machen soll, geschieht der Großteil der Berechnungen am eigenen Gerät. Google rechtfertigte die Sammlung von Daten bei Google Now immer mit der Notwendigkeit, dass so ein Service nur mit der entsprechenden Cloud-Infrastruktur und Nutzerprofilen möglich sei. Apple beweist das Gegenteil.Daten werden nur wenn es unbedingt sein muss, komplett anonymisiert, an Apples Server gesendet. Und trotzdem funktioniert der Dienst. Und genauso ist es bei dem Foto-Speicher. Wenn das Unternehmen nicht primär vom Werbegeschäft und der damit verbundenen Datensammlung abhängig ist, kann ich den Aussagen über „gratis“ Dienste einfach mehr Vertrauen.

Anderes Beispiel: Stellen wir uns vor, dass auch Apple seinen Cloud-Fotodienst komplett kostenlos machen würde. Auch wenn die Situation eine ähnliche ist, weiß ich auf Anhieb, dass die Motivation dahinter eher Kundenbindung als werbetechnisch wertvolle Nutzerprofile ist. Apples Intention dahinter wäre wahrscheinlich, dass ich mir immer wieder ein teures iPhone, einen Mac und ein iPad kaufe, nur um meine Apple exklusive Foto-Sammlung weiterhin in der iCloud zu haben. Eben das, womit Apple den Großteil seiner Einnahmen erwirtschaftet. Ein Wechsel auf eine andere (Hardware-/Betriebssystem-)Plattform würde einen mühsamen Umzug meiner Daten bedeuten. Apple würde mit meiner Bequemlichkeit und dem Komfort spielen und mir damit das Geld aus der Tasche ziehen. Und man sieht, auch in diesem Beispiel ist der Dienst eigentlich nicht „gratis“. Ich würde ihn mit dem regelmäßigen Kauf eines überteuerten iPhones zahlen und subventionieren. Aber das ist für mich eindeutig das geringere Übel.