Die Gerüchte, dass Apple an einer Übernahme von Twitter interessiert ist, gibt es schon ewig. Doch was will Apple, ein Hardware-orientiertes Unternehmen mit hohen Gewinnmargen mit einem Social Web-Dienst, der Verluste schreibt und nichts zu Apples Core-Business beitragen kann?
Bis jetzt haben die möglichen Antworten auf diese Frage, nie Sinn ergeben. Vor allem, da Apple nicht wahllos Unternehmen kauft und im Gegensatz zu anderen, fast ausschließlich kleinere Startups übernimmt. Doch seit einigen Monaten bewegen sich beide Unternehmen auf einander zu. Apple will mit neuen Initiativen das Standbein im Medien-Business ausweiten und Twitter sieht sich selbst zunehmend als News- und Medien-Dienst. Und weniger als Social Network. Eine Übernahme derzeit würde zum ersten Mal Sinn machen. Hier sind die Argumente dafür und dagegen:
1.) Apple versucht ein Standbein als Medien-Unternehmen aufzubauen
Apple versucht seit geraumer Zeit, einzelne Fernsehsender über ein monatliches Abo auf die eigenen Plattformen zu streamen. Einzig die Sender sträuben sich bislang noch gegen solche „Unbundled Channel“-Angebote. Auch eigene Produktionen wie Planet of the Apps oder Carpool Karaoke, die beide bald über den hauseigenen Apple Music-Dienst angeboten werden, zeigen Apples Engagement im Content-Bereich.
Twitter hat hier etwas ganz Wertvolles: Der Dienst baut nämlich gerade massiv seinen Live-Streaming-Dienst aus und erreichte im ersten Quartal 2017 mit 800 Stunden Premium-Live-Content über 45 Millionen Zuseher. 55 Prozent dieser Zuseher sind zudem unter 25 Jahren alt – eine attraktive Zielgruppe. Twitter hat damit sowohl die Infrastruktur und die Nutzer. Außerdem arbeitet man gerade massiv an Deals mit neuen Content-Produzenten und baut einen 24/7 Live Streaming-Kanal auf. Beide Unternehmen wildern hier seit Monaten im selben Jagdgebiet.
2.) Apple News.
Twitter = Breaking News. Passiert etwas auf der Welt, erfährt man es zuerst auf Twitter. Journalisten, Wirtschaftstreibende und Politiker nutzen die Plattform als Sprachrohr. Jeder Nutzer wird zum Echtzeitberichterstatter. Der Wert, den Twitter für die Welt als Echtzeit-Nachrichtendienst bietet, wird meiner Meinung nach derzeit grob unterschätzt. Nachrichtenagenturen, Fernsehsender und Zeitungen beziehen ihre Informationen zunehmend direkt aus Twitter. Kaum eine Breaking-News Meldung kommt mehr ohne die Erwähnung eines Tweets aus. Twitter ist im Herzen der Nachrichten-Welt: Als News-Quelle, als Distributionskanal, als Sprachrohr.
Und hier liegen die Synergien für Apple versteckt. Denn Apple News – die iOS App, von der man außerhalb der USA nichts mitbekommt – würde gewaltig von den Daten profitieren. Die Beschreibung von Apple News auf Apple.com zeigt, was man mit der App erreichen will. Twitter würde den Dienst perfekt ergänzen:
News collects all the stories you want to read — so you no longer need to move from app to app to stay informed. And with a completely reimagined For You tab, it’s easier than ever to find the stories that matter most to you. News also features breaking news notifications and subscriptions to some of your favorite publications.
3.) Apple will den User zum Content Creator machen, es fehlt aber die Plattform
Apple hat vor ein paar Wochen überraschend die Clips App gelauncht. Eine App, mit der man ganz einfach Videoclips und Stories erstellen kann. Die Inspiration dafür kommt klar von Instagram und Snapchat. Doch was Apple dazu noch fehlt, ist eine Plattform für den Content. Derzeit müssen die Nutzer ihre Videos entweder über das private iMessage versenden oder auf einen externen Dienst zurückgreifen, um die Videos einer breiten Masse zugänglich zu machen. Twitter hat bisher keine Antwort auf Instagram Stories und Snapchat. Mit Apple Clips hätte es eine. Und Apple eine Plattform.
4.) Aber: Das Business-Modell von Twitter macht für Apple keinen Sinn.
Apple tut sich verdammt schwer, mit Werbung Geld zu verdienen. Die bisherigen Initiativen wurden entweder wieder eingestellt oder sehr reduziert. Hinzu kommt, dass Apple aus Prinzip keine zu detaillierten User-Daten dafür verwenden will, um den Werbekunden das Targetting schmackhaft zu machen. Aber eigentlich wäre das auch egal. Denn auch Twitter schafft es nicht, genug Werbekunden zu finden und seine User zu monetarisieren. Die letzten Quartalszahlen sprechen sogar von einem Rückgang der Werbeeinnahmen. Vielleicht sollte man die Monetarisierung mit Werbung zurückschrauben und sich auf Premium-Inhalte und zahlende Kunden spezialisieren. Ähnlich, wie es ein kostenloses Spotify mit Werbung und ein kostenpflichtiges Spotify für zahlende Kunden gibt. Gebündelt mit Premium-Video-Content zum Streamen und einem werbefreien Kurznachrichten-Dienst könnte ein Twitter-Abo sogar funktionieren.