Drei Österreich hat heute vormittag in Wien eine Kooperation mit Spotify vorgestellt. Ein Bestandteil dieses Deals war, dass Traffic von und zu Spotify künftig nicht mehr zum Datenvolumen von 3-Nutzern gezählt wird. Mobil können 3-Kunden damit „unendlich“ Musik genießen. Hört sich gut an, oder? Warum das aber ein Eingriff in die Netzneutralität ist, versuche ich hier zu erklären.
Leider gibt es für Netzneutralität keine genaue Definition. Das für mich beste Zitat diesbezüglich ist: „At its simplest, network neutrality is the principle that all Internet traffic should be treated equally“. Die Kernaussage: Jeglicher Netzwerkverkehr soll vom Netzbetreiber komplett gleich behandelt werden. Unabhängig davon, welche Daten übertragen, von wem und zu wem die Daten übertragen werden und was der Grund für die Daten-Übertragung ist. Netzbetreiber sollen und dürfen nur das Netz zur Verfügung stellen. Sie dürfen jedoch nicht entscheiden (auch nicht indirekt), was über diese Infrastruktur übertragen wird.
Ein gern genanntes Beispiel für Netzneutralität ist das Drosseln von bestimmten Diensten. So könnte beispielsweise der Videodienst XY mit dem Netzbetreiber A eine Kooperation eingehen, damit Traffic zum Servern des Videodienstes schneller übertragen wird als zu Servern des Konkurrenzdienstes. Umgekehrt könnte man dem Kunden auch ein „Video-Zusatzpaket“ anbieten, mit dem eine schnellere Übertragungen des Dienstes XY ermöglicht wird.
Das ist wohl eines der worst-case Beispiele zum Thema Netzneutralität, es veranschaulicht aber die Situation dafür umso besser. Netzneutralität ist immer von zwei Standpunkten zu sehen. Einmal aus Inhalteanbieter-Sicht und einmal aus Nutzer-Sicht. Im Kern ist es aber immer der Provider, der _bestimmten_ Netzwerkverkehr aus bestimmten Gründen anders behandelt. Das Problem dabei ist, dass manche Verstöße gegen die Netzneutralität schnell aus den Augen verloren werden, weil man aus Kunden-Sicht die (negativen) Auswirkungen nicht sofort erkennt. Wie eingangs erwähnt, stellt die Kooperation von Drei und Spotify für den Kunden nämlich etwas Positives dar. Traffic von/zu Spotify wird künftig nicht mehr vom Datenvolumen abgezogen. Yay, da freut sich das Musikliebhaber-Herz. Aber Moment. Vorher hatten wir doch auch zwei Seiten? Gibt es vielleicht auch hier eine Seite, die damit nicht ganz so glücklich ist?
… *Trommelwirbel* …
Ja! Die gibt es. Nämlich der andere Musik-Dienst, für den es plötzlich ein ganzes Stück schwieriger geworden ist, seinen Dienst an bestehende Drei-Kunden zu bringen. Noch schlimmer wird es für kleinere Dienste, die gerade an den Start gehen wollen oder sich noch in Entwicklung befinden. Das Plus, das Drei-Kunden mit der Ausnahme vom Datenvolumen bei Spotify erhalten, muss erst einmal von einem anderer Dienst wettgemacht werden. Und so wird es über kurz oder lang passieren, dass Drei-Kunden vermehrt zu Spotify greifen. Vielleicht nicht, weil Spotify den besten Dienst bietet, sondern weil es einfach nicht zum Datenvolumen des Vertrags zählt. Nicht umsonst erwähnte Stefan Zilch, Country Manager von Spotify DACH, dass Provider-Kooperationen dieser Art eine der stärksten Faktoren bei der Kundengewinnung für den Streamingdienst sind.
Das Problem bei solchen Netzneutralitätsverstößen ist, dass es sich hierbei nicht um eine Einschränkung vom Kunden handelt, sondern einer Einschränkung für (andere) Inhalteanbieter. Uns persönlich trifft es nicht direkt. Dass dabei aber Innovationen verhindert und der Mitbewerb geschädigt wird, und wir irgendwann alle in der einen oder anderen Form dafür „zahlen“ werden, ist nicht mehr weit hergeholt. Netzneutralität ist ein Recht, das wir uns nicht nehmen lassen sollen. Was jetzt im Kleinen anfängt, kann schleichend immer weiter fortschreiten. Und irgendwann sind wir dann dort, wo Wikipedia nur mehr mit einem speziellen „Info-Paket“ angesurft werden kann. Auf Beteuerungen von Providern, dass das „nie passieren wird“, lege ich spätestens seit der Aussage, dass Drei auch nach der Orange-Übernahme nie seine Preise erhöhen wird, keinen Wert mehr.
Als Internet-Liebender Mensch sage ich deswegen: Liebe Provider, macht mir mein Internet nicht kaputt.
Und falls sie es trotzdem weiterhin versuchen, müssen wir sie daran hindern!