Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Eigentlich ist es aber schon über 2 Jahre her. Damals 2013 habe ich mich für Snapchat angemeldet. Das Ding war frisch, interessant und mal was ganz anderes. Es war privater, viel eingeschränkter. Spannend. Die App machte Schlagzeilen damit, dass sich die amerikanische Jugend drüber Nacktfotos schickt und sextet. Weil sich Snaps eben in spätestens 24 Stunden löschen und man sie nur einmal anschauen kann. Achja und Unternehmen waren noch gar keine da – was es noch viel toller machte.

Die Kontakte, die man hatte waren zumindest in meinem Fall nur (sehr gute) Freunde. Und man schickte sich die Snaps immer direkt – ohne diese in die Story zu geben.

Während viele meinten, dass man auf Instagram oder Facebook ein komplett realitätsfremdes Bild von sich selbst wiedergibt und alles viel besser darstellt, als es eigentlich ist, schaffte es Snapchat durch geschickte Design-Entscheidungen, stärker an der Realität – dem hier und jetzt – zu bleiben. Und das war mächtig spannend.

So spannend, dass die fehlende Snapchat App der Hauptgrund war, warum ich mein Windows Phone gegen ein iPhone eingetauscht habe. Weil Snapchat alle Accounts von inoffiziellen Drittanbieter-Apps gesperrt hat. Und dann gab Snapchat Vollgas: Es kamen viele neue Funktionen dazu. Filter. Chat. Unternehmen machten spannenden Content. Der Dienst entwickelte sich weiter. Rasant – aber nicht immer zum eigenen Vorteil.

Denn der Zauber von Snapchat ist bei mir in den letzten Wochen verflogen. Gab es lange Zeit keinen einzigen Tag, an dem ich nicht wie gebannt alle Snaps anschaute und andere Leute an meinem Leben teilnehmen ließ, bleibt sie jetzt immer öfter geschlossen. Ich schaffe es schon lange nicht mehr alle Stories anzuschauen. Ich schaue oft nur mehr bestimmte Personen in der Liste an. Und gleichzeitig habe ich aufgehört, selbst so viel Content wie früher zu versenden.

Aber warum? Ich glaube es liegt daran, dass unser Leben vielleicht doch nicht so spannend ist, wie man möchte. Während ich bei vielen Accounts mittlerweile schon vorher weiß, welche Snaps in der Story sein werden, will ich selbst auch nicht das 100. Foto von einem Bier oder Junkfood schicken. Oder zeigen, wie ich auf der Couch sitze und Trash TV ansehe. Und genauso gibt es Leute, die nur Snaps von ihren Katzen schicken oder solche, die gefühlte 12 Stunden am Tag durchgehend in die Frontkamera labern. Was anfangs noch spannend und lustig war, hat seinen Reiz verloren. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Personen, die ich auf Snapchat noch mit Interesse verfolge.

Werde ich jetzt meinen Snapchat Account stilllegen? Nein. Viel mehr werde ich nur noch unregelmäßiger Stories machen. Dafür solche von denen ich glaube, dass sie auch wirklich interessant sind. Zum Beispiel vom Marathon. Oder coolen Bergtouren. Oder anderen Städten. Oder in anderen Ländern im Urlaub.

Und was kommt nach Snapchat? Ich weiß nicht. Für mich ist Twitter gerade aber wieder voll „da“. Und das ist eigentlich ziemlich bemerkenswert. Immerhin fesselt der Dienst schon über 9 Jahre. Weil Twitter spannend war und geblieben ist. Hier gibt es die richtige Mischung aus Privatem, Informationen, Breaking News, Second Screen während dem Fernsehen und Politik. In Österreich gibt es eine schöne – wenn auch immer noch kleine – Community.  Man diskutiert, man sudert, man geht gemeinsam frühstücken, man kennt sich. Und alles hat irgendwie mehr Tiefe als auf Snapchat – weil es eben nicht nur seichter „das passiert gerade vor meiner Linse“-Content ist.