Die ersten Geräte mit Windows Phone 8 sind in Österreich im November auf den Markt gekommen. Dem HTC Windows Phone 8X sowie 8S folgten im Dezember das Nokia 820 sowie im Jänner das Nokia Lumia 920. Höchste Zeit, dem neuen Smartphone-Betriebssystem einmal auf den Zahn zu fühlen. Dank HTC und Nokia konnte ich die letzten 2 Monate die jeweiligen Flagship-Produkte aus ihrer Windows Phone 8-Linie auf die Alltagstauglichkeit des Betriebssystems testen und  herausfinden, ob dieses konkurrenzfähig zu iOS und Android ist.

Design & User Interface

Obwohl bei Windows Phone 8 der komplette Unterbau und der Betriebssystem-Kernel ausgetauscht wurde, fühlt sich die Oberfläche noch immer genauso flott und angenehm wie bei der Vorgängerversion an.  Während Microsoft damals durch restriktive Hardware-Vorgaben die Gerätehersteller bei der Wahl der Auflösung, des Prozessors und der restlichen Hardware eingeschränkt hat, ist man dieses mal deutlich aufgeschlossener. Hinzugekommen ist beispielsweise die Unterstützung für Mehrkern-Prozessoren oder hochauflösende Displays. Das User Interface profitiert natürlich von der schärferen Darstellung – durch mehr Prozessorpower bleibt aber trotzdem alles flüssig und reagiert gut auf die Eingaben. Es gibt keine Ruckel-Einlagen ,wie man das von Android-Geräten gewohnt ist.

Schaltet man das Gerät zum ersten Mal ein, fällt sofort auf, dass Windows Phone 8 ganz im Zeichen der Personalisierung steht. Es gibt jetzt deutlich mehr Platz für die Live-Tiles und der schwarze Balken auf der rechten Seite der Vorgängerversion wurde eliminiert. Bei den Kacheln kann man zwischen drei verschiedenen Größen wählen und sich so seinen ganz eigenen Startscreen zusammenbauen. Neben der unterschiedlichen Größe und Platzierung der Live-Tiles kann man das ganze Betriebssystem mit über 20 Highlight-Colors  nach Wunsch, Vorlieben und Tagesverfassung einfärben. Gerade am Anfang spielt man gerne mit den verschiedenen Farben herum, bis man „seine“ Farbe gefunden hat. Relativ schnell kreiert man sich so sein persönliches Smartphone. Ansonsten hat sich glücklicherweise beim User Interface nicht viel geändert. Das System wirkt noch immer frisch und hebt sich positiv von der Konkurrenz ab. Was jedoch absolut noch fehlt ist ein einheitliches Benachrichtungs-System, wo alle Notifications gesammelt werden. Es gibt zwar sowohl die Möglichkeit über die Live-Tiles als auch Benachrichtigungen am oberen Bildschirmrand, diese können aber nicht gesammelt abgerufen werden. Hier muss Microsoft in einem kommenden Update noch nachbessern.

Windows Phone Store

Ein Smartphone-Betriebssystem ist maximal so gut wie der dazugehörige App Store. Dass ist zumindest seit dem iPhone der Fall. Die Windows Phone-Plattform hatte seit dem Anfang immer mit einem eher schwachen Ökosystem zu kämpfen. Mittlerweile hat sich die Sitatuion gebessert und es gibt bereits über 120.000 Apps im Store. Darunter auch fast alles, was man täglich braucht. Lediglich ein paar große wenige (aber wichtige) Apps gehen leider noch ab. Dazu gehört zum Beispiel Instagram, dessen Abwesenheit für viele Fans ein Grund ist, nicht auf WP8 umzusteigen. Leider ist das eine Art „Henne-Ei“-Problem. Benutzen nicht mehr Leute ein Windows Phone, zahlt es sich für Instagram nicht aus eine eigene App zu machen. Gibt es keine Instagram-App, wird man viele Nutzer nicht vom Umstieg überzeugen können. In so einem wichtigen Fall müsste Microsoft eingreifen und die Entwicklungskosten einer App einfach sponsorn. Genügend Geld wäre ja eigentlich vorhanden.

Skype

Nachdem man die Integration bei der Vorgänger-Version nie so wirklich gut hinbekommen hat, wird Skype in Windows Phone 8 endlich gebührend in das System integriert. Nach der Installation werden Anrufe in Skype genauso wie normale Anrufe am Display angekündigt. Bestätigt man den Anruf, so wird die Verbindung hergestellt und man kann telefonieren. Wie bei einem normalen Anruf über’s Mobilfunknetz. Die Skype-Kontakte werden ohne Probleme in den People-Hub integriert. Dadurch kann man einen Skype-Anruf genauso schnell wie einen normalen Anruf starten. Da Skype für mich eines der wichtigsten (digitalen) Kommunikationsmittel ist, kann ich diese tiefe Integration nur gutheißen. Der Kauf von Skype scheint ein wirklich guter Schachzug von Microsoft gewesen zu sein und ich bin gespannt, wie sich Skype in Zukunft weiterentwickelt. Wäre ich ein Netzbetreiber, würde ich mir um den Gesprächsminuten-Absatz in Zukunft jedenfalls Sorgen machen.

NFC & Brieftasche

In Windows Phone 8 unterstützt Microsoft jetzt endlich auch NFC-Chips in Smartphones. Während Nokia in den früheren Symbian-Modellen Vorreiter der NFC-Technologie war, konnte diese in den ersten Windows Phone 7-Geräten nicht verwendet werden. In der neuen Version hat Microsoft ein „Tap to Share“ genanntes Feature eingebaut, mit dem man via Zusammenhalten zweier Windows Phones alle möglichen Inhalte übertragen kann. Das kann zum Beispiel eine gerade geöffnete Seite im Browser sein, ein Bild oder Video von der Kamera oder ein Kontakt aus dem People-Hub. Erstaunlicherweise findet man Tap to Share fast überall im System. Vorbei sind die Zeiten, wo man etwas per Mail sendet wenn die andere Person nur einen Meter neben einem steht. Zusätzlich zur Übertragung zwischen zwei Smartphones hat sich Microsoft noch etwas besonderes einfallen lassen. Denn Tap to Share funktioniert selbst zwischen Windows 8 und Windows Phone 8. Da viele Notebooks und Tablets mit Windows 8 in Zukunft mit einem NFC-Chip ausgestattet werden und die Funktion im Desktop-Betriebssystem ähnlich gut integriert ist, wird der Dateiaustausch bald zum Kinderspiel. Im Test mit einem Asus Vivo Tab hat das bereits wunderbar funktioniert. Man kann Word-Dokumente mühelos übertragen, einen gerade geschossenen Schnappschuss auf dem Tablet darstellen und die geöffnete Seite im Browser auf das andere Gerät schicken und dort weiterlesen. In diesem Bereich hat Microsoft wirklich seine Hausaufgaben gemacht.

Bei der Brieftasche handelt es sich um eine neue App, die in Zukunft sowohl zum bargeldlosen Zahlen als auch für Gutscheine, Tickets oder Mitgliederkarten verwendet werden soll. Leider ist die Unterstützung in Österreich dafür noch recht mager. Zahlen funktioniert derzeit noch überhaupt nicht, man kann sich jedoch mit bestimmten Apps seine Bonus-/Kundenkarten zur Brieftasche hinzufügen. Auf diese Weise kann man zum Beispiel mit der App FidMe die Billa Vorteilscard auf den Homescreen pinnen.

Maps

Seit Windows Phone 8 verwendet Microsoft nicht mehr das hauseigene Kartenmaterial sondern hat jenes von Nokia lizensiert. Nokia hat durch die Akquisition von Navteq eines der besten (wenn nicht sogar das beste) Kartenmaterial. Nicht umsonst verwenden es bereits unzählige Auto-Hersteller für ihre integrieren Navigationsgeräte. Die Maps App ist jetzt vollständig vektorbasiert und verbraucht weniger Datenvolumen. Außerdem lassen sich dadurch die Karten stufenlos zoomen. Auch die Suche nach POIs und Adressen hat bei mir (fast) immer funktioniert. Hier hat Google vielleicht noch immer die Nase vorne, aber wenn es um die reine Genauigkeit des Datenmaterials geht, kann Microsoft mit Nokias Hilfe voll punkten. Und falls man einmal im Ausland ist, können Karten-Teile ganz einfach für den Offline-Gebrauch zwischengespeichert werden.

Xbox, Spiele und Musik

In diesem Bereich kann Microsoft dank der Xbox seine Stärken ausspielen. Durch Xbox Live als Gaming-Netzwerk und die Möglichkeit, durch eigene Spiele-Studios selbst für frischen Spiele-Nachschub zu sorgen, wird der Spieltrieb auf Windows Phone 8 ganz klar gestillt. Schön langsam erscheinen im Store auch immer mehr bekannt Spiele von großen Publishern, wodurch man sich selbst als Gamer überhaupt keine Sorgen machen muss. Dank Xbox Live sammelt man in den meisten Spielen sogar fleißig Punkte für den Gamerscore.

Was im Spielebereich schon super funktioniert, braucht in der Musik-Abteilung noch ein wenig Arbeit. Der mitgelieferte Xbox Music-Dienst kann mit einem 10€ teuren Xbox Music Pass zum Streaming-Service aufgewertet werden. Zusätzlich kann man im Store ganz bequem ganze Alben oder einzelne Titel kaufen. Leider ist die Usability von Xbox Music noch ein wenig hackelig und man findet die gewünschten Funktionen nur sehr schwer.  Wer schon einmal Spotify benutzt hat wird diesbezüglich eher enttäuscht sein. Apropos Spotify: Das ist seit Windows Phone 8 spurlos aus dem Store verschwunden. Laut Spotify wird aber bereits an einer neuen Version gearbeitet.

Internet Explorer 10

Mit dem integrierten IE 10 hat Microsoft wirklich einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der neue Browser hat in keinster Weise noch etwas mit seinen (schrecklichen) Vorgängern gemeinsam, basiert jetzt auf der neuen Desktop-Version des IE 10 und ist daher in Sachen Web-Standards ganz große Klasse. Webseiten laden schnell und ohne Darstellungsfehler. Selbst aufwändige Seiten schafft der Browser ohne Probleme, was gerade im mobilen Bereich nicht selbstverständlich ist. Leider wird der Browser (obwohl er technisch auf dem neuesten Stand wäre) auf vielen Seiten wie ein Browser aus dem vorigen Jahrhundert behandelt. Hier sollen sich vor allem Google und Facebook genannt fühlen, die scheinbar nur iOS und Android als moderne Smartphone-Betriebssysteme anerkennen und dem IE 10 nur eine Uralt-Version der Seite ausliefern. Das lässt sich aber relativ leicht umgehen, wenn man in den Einstellungen die „Desktop“-Option aktiviert. Ich kann mir aber vorstellen, dass es hier bald ein Umdenken geben wird, weil technisch ja nichts gegen den IE 10 spricht. Was mir zu guter Letzt noch gut gefallen hat, ist die Möglichkeit auf Webseiten nach bestimmten Wörtern suchen zu können. Das ist ein Feature das mir vor allem am iPhone immer gefehlt hat.

Ausblick und Fazit

Windows Phone 8 ist die erste Mobile-Plattform von Microsoft, mit der ich dauerhaft leben könnte. Das komplett andere UI-Konzept mit Live-Tiles, die verschiedenste Informationen anbieten, einem Start-Screen, den ich mir nach meinen eigenen Vorstellungen und Wünschen anpassen kann, und der frischen Metro Design-Language faszinieren mich jedes Mal wieder aufs Neue. Was Microsoft noch fehlt sind ein paar äußerst wichtige Apps. Wenn die da sind – sei es durch finanzielle Zuwendungen oder wenn sich die Dienste endlich für eigenen Support entscheiden – sehe ich keinen Grund mehr, warum man nicht switchen sollte. Da Microsoft bei Windows Phone 8 erneut den kompletten Unterbau des Betriebssystems ausgewechselt hat, kann man ihnen verzeihen, dass sich auf UI-Ebene sehr wenig getan hat. Dafür hat man jetzt eine solide Basis, auf der man für kommende Updates aufbauen kann. Zum ersten Mal ist Microsoft in der glücklichen Position, dass sowohl die Software als auch die Hardware-Unterstützung durch das Lumia 920 und das HTC 8X wirklich Top sind. Fehlen nur mehr die Nutzer, die den externen Software-Entwicklern den Anreiz geben, coole und nützliche Apps zu entwickeln und die Plattform damit auf ihre Weise weiter zu verbessern.